Gedanken über die Einheit des Seins

Vorläufige Sammlung von Aspekten

Ich habe länger darüber nachgedacht, ob es sinnvoll ist, diese Sammlung von ungeordneten Beobachtungen zu veröffentlichen. Zumal es vom Wesen der Einfachheit sehr weit entfernt zu sein scheint. Ich belasse sie hier, in der Hoffnung auf Resonanz, Auseinandersetzung und Gespräch darüber. Weil - eines scheint mir sicher: Das Einfache verstehen - oder beschreiben zu wollen, ist prozesshafte Beziehung mit dem komplexesten Feld der Welt - der Wirklichkeit.

 

Zentrales Thema meiner Bemühungen um Erfahrung, Erkenntnis und Gestaltung ist die Einheit alles Seins.

- Einheit (oder Ganzheit, Heilheit) ist, bzw. war immer vorhanden - sie besteht in Ewigkeit, womit ich einen Zustand ohne Anfang und Ende meine. Die Einheit beinhaltet Zeit - nicht umgekehrt!

Was ich mit Einheit meine, ließe sich auch mit Gott oder Tao oder Urgrund - oder was weiß ich - benennen. Einheit läßt sich m.E. nicht direkt beschreiben, da jede Form von Wahrnehmung und deren Verarbeitung innerhalb von ihr (der Einheit) geschieht und damit grundsätzlich ausschnitthaft und rückbezüglich sein muß. Auch die beste Beschreibung wird immer nur Annäherung bleiben, da selbst die vollkommenste Abbildung nicht das Abgebildete selbst sein kann. Aber die aus ihr erwachsende Wirklichkeitsstruktur sollte beschreibbar sein, da sie aus dem Ein-fachen heraus entsteht.

- Einheit steht (permanent) der Erfahrung offen - da in ihr alles, das was ist, nicht von etwas anderem getrennt sein kann.

Alles das, was Form ist oder hat, ist untrennbar Teil der Einheit. So gesehen, gibt es buchstäblich nichts außerhalb vom Sein an sich, bzw. gibt es nichts außer "Gott".  Grundsätzlich alles, auch das, von dem wir vielleicht meinen, das es besser nicht existieren sollte, ist Bestandteil- und belebt von der Einheit.

- Die Welt ist vollständig virtuell - das heißt, sie besteht aus keiner ursprünglich gegebenen Substanz, sondern ausschließlich aus Rückbezüglichkeit der Existenz zu sich selbst - also Formen aus "Seele und Geist".

In ihrer Selbstschöpfung (die unsere Erfahrungswelt kreiert und beinhaltet) ist sie allerdings perfekt, und das Einzigste was existiert. Deshalb macht es keinen Sinn, von ihr als unwirklich zu reden!

- Seins- bzw. "Gotteserkenntnis" wird zugänglich durch nichts tuen, bzw. durch vollständiges Einstellen von zielgerichteter Aktivität.

Das meint, ein Ich als Selbst-Identifikation kann das nicht absichtlich bewirken! Einheit ist ein (der Einzige!) sinnfreier Raum. Alles das, was ich bewerkstelligen kann, bringt mich bestenfalls zu erdachten oder phantasierten Zielen. Da Einheit letztlich nicht vorstellbar ist, braucht es die unmittelbare Erfahrung darüber, das es mich als das, was ich zu sein meine, nicht gibt! Solange meine Selbstwahrnehmung existiert, bin ich innerhalb der Welt meiner Vorstellungen gefangen. Aber DAS genau (damit aufzuhören) kann ich nicht bewirken. Ich kann mich nicht auflösen oder abschaffen! Ich kann allerdings erkennen, daß es ich ein Prozess bin - eine Vorstellung, eine Identifikation. Das, was diese Identifikation erlebt und trägt, ist im Wesen ichlos und existiert als unbeschreibbares Sein. (Analogie: ein Besucher/in im Kino, der/die sich selbst vergessen hat und sich mit einer Hauptperson identifiziert hatte, kommt wieder zu sich). Beide Zustände sind deutlich unterschieden - aber nicht getrennt ( vergleichbar mit der Tiefe und dem Reichtum des Schlaf-Traumes, in dem meine pyschische Gesamtheit sowohl alle Personen des Traums, als auch den Erlebnisraum und die Gegenstände darin träumt, sich aber nur mit dem "Hauptdarsteller" also mit "mir" identifiziert).

- Die seelisch-geistige Welt (der Welt-Innenraum) ist nicht hierachisch wertvoller als die materiell erscheinende Welt (der Welt-Außenraum) - zumal beide nicht getrennt sind - sie sind sich zwingend ergänzende Bereiche einer virtuellen, schwingenden Umstülpungsbewegung die in ihrer Bewegung Zeit, Raum und Formen erschafft.

Der Raum zwischen Innen und Außen ist der einzige Ort der erfahrbaren Existenz! Wahrnehmung bewegt sich virtuell nach innen und Außen - bleibt dabei aber ewig da wo sie ist - in der Ortlosigkeit ihrer Gesamtheit. Wenn hier Bewusstheit eintritt, wird entdeckt, daß alle Mitten identisch sind - ein zeit-, raum- und formloser Zustand!

- Gedanke: Es gibt nichts Unwichtiges.

"Innerhalb" der Einheit "erstrecken" sich unendliche Beziehungsstrukturierungen, Verzweigungen, die ich traditionell als Weltenbaum bezeichnen möchte. Hier existieren Wertigkeiten nur in Bezügen (durch wertende Selbstidentifikation) von seperierten Sinnzusammenhängen (Kontexten). Grundsätzlich nichts von dem, was sich innerhalb dieser Existenz-Struktur benennen oder beschreiben lässt, ist überflüssig!

- Gedanke: Nicht irgendwelche aufsehenderregenden Phänomene (scheinbar nachweisbare Unmöglichkeiten) sind das große Wunder, sondern die Existenz der Formen- und Funktionsvielfalt des Seins und die Wahrnehmungs- und Bewußtseinskontinuität sind und bleiben mir ewig unendlich Staunenerregend.

Wie haben WIR (die wir gemeinsam das Ganze sind) uns da bloß herentwickelt? Durch in sich selbst schwingende Bewegungsform!

- Gedanke: Erleuchtung zerstört (mich) nicht. Es ist ein Erwachen jenseits persönlicher Existenz mit offenen"Wohnangeboten" in  bewussten "Traumwelten". Diese Welten sind jedoch in keinster Weise beliebig, sondern sind bestimmt durch die ihnen zugrundeliegenden Gestaltgesetze.

Beim Erwachen aus einem gewöhnlichen Nacht-Traum erkenne ich, daß das gesamte Traumgeschehen von mir geträumt wurde, inclusive des Raumes, in dem er sich "abspielte". Für das Traumerleben war es notwendig, sich nur mit einer Rolle zu identifizieren, damit überhaupt ein Handlungserleben möglich wird!

Erleuchtung bezeichnet in meinem Verständnis das Erwachen im ICH, das WIR sind. Das kann blitzartig gesehen oder langsam, oder irgendetwas dazwischen. "Ich selber" bevorzuge das entschleunigte Erwachen in das Ungetrenntsein, da "ich" die "illusionäre" Schönheit dieser Räume dankbar geniesse, als das schönste und wertvollste Geschenk, was ich empfangen kann!

Mein Ich braucht nicht aufglöst werden - es will im Gegenteil vervollständigt werden! Seine wahre Funktion ist es, situationsgerecht für Offenheit oder Abgrenzung zu sorgen, damit die einmalige Erfahrung, die "ich" bin - in dem was "wir" sind,  sich optimal gestalten kann. Wenn das Ich "gereinigt", bzw. erwachsen geworden ist, kann es zudem für andere "Iche" als Spiegel dienen.

Der Moment der Erleuchtung ist (in meinem Verständnis) der zeitlose "Zeitpunkt", wo eine unabweisbare Erkenntnis in aller Konsequenz eintritt, daß Einheit wahr ist - daß sie "funktioniert"! Daraus läßt sich dann allerdings in keinster Weise ableiten, daß ich danach automatisch erleuchtet handeln könnte (es sei denn, das die Persönlichkeit sich irreversibel aufgelöst hätte - was nicht das Bedürnis eines Iches ist, das erkannt hat, was es nicht ist). Die Fähigkeiten, um diese Erfahrung mit Lust und Verantwortung intensiv und vollständig leben zu können, müssen wie alle anderen kulturellen Fertigkeiten schrittweise erübt werden.

- Meditation ist nicht Mittel zum Zweck.

Wenn ich meditiere, erfahre ich mich, so umfassend, wie es gerade eben möglich ist, in der grundlegendenWirklichkeit - also da, wo ich sowieso sein will. Wenn ich nicht meditiere, bin ich natürlich auch dort - es entstehen aber durchgängig spontane Bedürfnisse, irgendetwas zu verändern, etwas zu tun. In der Meditation dagegen tue ich nichts - und alles "Unwirkliche" löst sich, so wie es gerade stimmig ist, auf. Es ist auch möglich, meditierend am "gewöhnlichen" Leben teilzunehmen,  was als Gegenwärtigkeit oder unmittelbare Wahrnehmung bezeichnet wird.

- Das Paradies ist genau da, wo wir bereits sind! Die Hölle ist genau da, wo wir bereits sind! Entscheidend ist, WIE (mit welcher Haltung) wir hier sind.

Unsere Sicht auf uns und unsere Sicht auf die Dinge bedingen die Ergebnisse unserer Erfahrung. Sie läßt sich entwickeln, durch ein Zulassen, Erkennenen und Anwenden von mehr Liebe, von mehr Wahrheit und von mehr Einfachheit. Oder auch andersherum - durch ein zielstrebiges Vermindern von Verhaltensweisen, die wir als falsch erkannt haben.

- Die Wunder-Welt der Wahrnehmung ist nicht nur ein Perpeteeum Mobile sondern auch das genialste Gesamtkunstwerk, das sich vorstellen läßt.

Dieses unfassbare Wunder scheint uns aufzufordern: "Liebe das Leben und tu was Du willst". Wenn wir unumstösslich wissen, was Einheit ist, WISSEN wir, das egal, was wir tuen, es immer UNS tuen oder antuen! Mit diesem Wissen freudig und bewusst umzugehen ist für mich angewandtes Christentum.

- Es gibt keine Schuld an sich - in Form unverzeihbarer Taten. Alles ist letztlich verzeihbar, da nichts ohne Grund geschah, geschieht und geschehen wird. Schuld und Böses entstehen und erhalten sich in speziellen Wert-Kontexten und sollten in diesen auch weiterhin als unakzeptabel gesehen werden. Die Lösung der in diesen Kontexten entstandenen Problematik wird in den meisten Fällen in einem erweiterten Kontext liegen - nicht in einer Verschärfung und stärkeren Durchsetzung von Gegensätzen. Lösungen für Grundprobleme der Menschheit werden erst im Feld der Einheit der Gegensätze sichtbar werden.

 

Begonnen   21. September 2003

Stand   1. August 2008   

 

zurück