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Martin Buber * 1878 in Wien  † 1965 in Jerusalem, österreichisch-israelischer jüdischer Religionsphilosoph

Martin Buber in der deutschen Wikipedia

Alle mir wichtigen Methoden einer transparenten und ehrlichen Kommunikation fussen auf dem Willen und der Bereitschaft zu Authentizität. Wenn man der Entwicklungsspur der Authentizität durch die humanistischen Psychologie zurückverfolgt, gelangt man meist zur Persönlichkeit Martin Bubers und zu dem von ihm formulierten dialogischen Prinzip ("Ich und Du", 1923). Es versteht nicht nur Mitmenschen und letzlich die ganze Welt als Gegenüber - sondern auch das grosse DU - das Göttliche. Seit ich Buber gelesen habe, empfinde ich mich nicht mehr als Zumutung sondern als Gesprächspartner auf allen mir zugänglichen Beziehungsebenen.

Ein bis heute wirksames Aha-Erlebnis war mir die Begegnung mit folgender Aussage Bubers in: Martin Buber - "Distance and Relations", Psychatry 20, 97, 1957.  Zitiert von Paul Watzlawick in "Vom Unsinn des Sinns oder vom Sinn des Unsinns".

"In allen Gesellschaftsschichten bestätigen Menschen einander in ihren menschlichen Eigenschaften und Fähigkeiten, und eine Gesellschaft kann in dem Maße menschlich genannt werden, in dem ihre Mitglieder einander bestätigen. Die Grundlage menschlichen Zusammenlebens ist eine Zweifache und doch eine einzige: der Wunsch jedes Menschen, von den anderen als das bestätigt zu werden, was er ist, oder sogar als das, was er werden kann, und die angeborene Fähigkeit der Menschen, seine Mitmenschen in dieser Weise zu bestätigen. Daß diese Fähigkeit so weitgehend brachliegt, macht die wahre Schwäche und Fragwürdigkeit der menschlichen Rasse aus. Wirkliche Menschlichkeit besteht nur dort, wo sich diese Fähigkeit entfaltet."   

Wenn Buber seine Arbeit heute ergänzen könnte, würde er vielleicht hinzufügen, dass die differenzierte und empathische Rückmeldung von Störungen in der Kommunikation - authentisches Feedback also, eine wesentliche Ergänzung darin ist, das zu bestätigen, was der Andere werden kann. Der Mensch braucht [meines Erachtens] für seine Entwicklung eine möglichst umfassende, dabei liebevolle Rückmeldung.

 

Besonders bedeutsam ist mir Bubers Einsatz für eine solidarische Kultur und den Gemeinschaftsgedanken. Nachfolgend Auszüge aus dem Eintrag zu Martin Buber im Lexikon der Anarchie im DadA-Web:

Neben der Lebensgefährtin Paula Buber gehörte auch der libertäre Kulturphilosoph und Schriftsteller Gustav Landauer (1870-1919) zu seinen engsten Vertrauten. Mit Landauer verband ihn eine seit der Jahrhundertwende währende langjährige Freundschaft. Beide verkehrten damals in der zivilisationskritischen, am Landleben interessierten Berliner „Neuen Gemeinschaft“. Vor allem Bubers Sozialphilosophie, seine Dialogik und sein Gemeinschaftsdenken verdanken dem gedanklichen Einfluss Landauers viel.

Trotz weitgehender öffentlicher Zurückgezogenheit und intensiven wissenschaftlichen Forschungen gehörte Martin Buber zu den ersten Mitstreitern des von Gustav Landauer 1908 gegründeten „Sozialistischen Bundes“ (SB). Diese libertäre Vereinigung zielte auf ein exemplarisches „Beginnen“ in Richtung einer freiheitlichen Gesellschaft. Ihre autonomen Ortsgruppen in Deutschland und der Schweiz organisierten sich nach den Grundsätzen freier Vereinbarung, genossenschaftlich und föderativ, ohne Zentralinstanz. Im Anschluss an die „Neue Gemeinschaft“ und den „Sozialistischen Bund“, an dessen Zusammenkünften Buber in Berlin bis 1911 teilnahm, stellte der „Forte-Kreis“ unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg das dritte Gemeinschaftsprojekt beider dar. Er sollte als eine transnationale Vereinigung die Menschheit Europas gegen den bevorstehenden Krieg wachrütteln. Allerdings verhinderte nationalistische Engstirnigkeit jegliche Wirksamkeit dieses Personenkreises, der sich unmittelbar nach Kriegsbeginn bereits wieder auflöste. Auch Buber entzog sich diesem Kriegstaumel anfänglich nicht. Jedoch rang er sich schließlich nach einer heftigen Kontroverse mit seinem Freund Gustav Landauer zu einer eindeutigen Antikriegshaltung durch.

[...]  Sozialphilosophie  Martin Bubers Sozialphilosophie richtete sich stets auf einen freiheitlichen Sozialismus aus. Begriffe wie „Gemeinschaft“ oder „Utopie“ blieben hierin zentral. Unter wesentlichem Einfluss Gustav Landauers fand er seit der Jahrhundertwende eine Möglichkeit, seinen Kulturzionismus mit einer libertären Gesellschaftskonzeption zu verbinden. Sein Gemeinschaftsbegriff umfasste ein Verständnis von Soziabilität, die, ohne äußeren Zwang, sich allein der Freiheit und Freiwilligkeit verbunden fühlte. Nur so sei die Vielfältigkeit und Unterschiedlichkeit menschlichen Seins adäquat abzubilden. Die freie Entfaltung der eigenen Persönlichkeit inmitten einer lebendigen Gemeinschaft - dies spiegelte Bubers Vision einer „Neuen Gemeinschaft“ wider.

Vor allem betonte er das individuelle Engagement: nämlich „hier und heute“ mit der persönlichen Erneuerung zu beginnen. Im Zentrum seiner sozialphilosophischen Betrachtungen standen also stets sowohl der Einzelmensch als auch die zwischenmenschlichen Beziehungen. Schließlich rückte die dialogische Gemeinschaftsgestaltung sogar gegenüber der individuellen Selbstfindung in den Vordergrund: „Der wahre Ort der Verwirklichung ist die Gemeinschaft...“ (Martin Buber, Der Heilige Weg. Ein Wort an die Juden und an die Völker. Dem Freunde Gustav Landauer aufs Grab [1919]. In: Ders., Der Jude und sein Judentum, S. 90). Verwirklichung und Zwischenmenschlichkeit beinhalteten dementsprechend Kreativität, gestalterische Einheit von weltlicher und geistiger Ordnung, Herzensgüte, frei vereinbartes Miteinander, gegenseitige Hilfe und Humanitarismus. Hierin lag für den Föderalisten und kommunitären Sozialisten Buber zugleich auch der Schlüssel zur menschheitlichen Selbst- und Gemeinschaftsfindung.

Link:  Die Politik des Ich-Du / Der Anarchist Martin Buber

Literaturhinweise:  

Pfade in Utopia. Über Gemeinschaft und deren Verwirklichung, 1950 (vor allem eine Auseinandersetzung mit den Ideen von Gustav Landauer)

Der utopische Sozialismus, 1952 und 1967. [Ergänzung zum Band Pfade in Utopia].Pfade in Utopia. Heidelberg 1950 (weitere Aufll.)

Abschliessend  noch 2 weitere Zitate aus dem Wikipediaeintrag:

Aus einer philosophischen Rechenschaft, in: Martin Buber, Werke I. Schriften zur Philosophie, S. 1114:  „Ich habe keine Lehre. Ich zeige nur etwas. Ich zeige Wirklichkeit, ich zeige etwas an der Wirklichkeit, was nicht oder zu wenig gesehen worden ist. Ich nehme ihn, der mir zuhört, an der Hand und führe ihn zum Fenster. Ich stoße das Fenster auf und zeige hinaus.“   „Ich habe keine Lehre, aber ich führe ein Gespräch.“

Sein Beharren auf einer Utopie dialogischer Beziehung verdeutlichte Buber grundlegend in dem unmittelbar vor seinem Tod vorbereiteten, postum erschienenen Buch „Nachlese“:  „Sodann aber verlangt es einen Mal um Mal, seinem Mitmenschen zu danken, selbst wenn er nichts Besonderes für einen getan hat. Wofür denn? Dafür, dass er mir, wenn er mir begegnete, wirklich begegnet ist; dass er die Augen auftat und mich mit keinem anderen verwechselte; dass er die Ohren auftat und zuverlässig vernahm, was ich ihm zu sagen hatte; ja, dass er das auftat, was ich recht eigentlich anredete, das wohlverschlossene Herz.“ (S. 254)

 

Besonders dankbar aber bin ich für  Die Erzählungen der Chassidim.

 

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